Covid19 – Eine Krise als Neuanfang?

Seit 2010 erleben wir ein kontinuierliches Wachstum in dem Automobilsektor, auf ein Rekordjahr folgte das nächste. Getrieben vom Gesetzgeber sollte das Jahr 2020 das Schlüsseljahr für die Elektromobilität werden, dann greifen erstmals verbindlich die von der EU vorgegebenen CO2-Flottengrenzwerte von 95 g CO2/km. Um diese Ziele einzuhalten, haben die Automobilhersteller ihre Gewinne aus den vergangenen Jahren dafür genutzt, um ihre Flotten sukzessive zu elektrifizieren. Die Politik und Wirtschaft zog mit und sie investierten ihrerseits kräftig in den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Mittlerweile zählen wir hierzulande über 19.000 Ladestationen (in Summe über 55.000 Anschlüsse), in Q4 2018 waren es noch knapp über 12.600, was einem Zuwachs von +33% entspricht (Quelle: www.chargemap.com).

COVID-19 inmitten der Transformation

Dieser Strukturwandel hin zu alternativen Antrieben steht auf „wackeligen Beinen“, da die Automobilbranche sich in einer tiefgreifenden Transformation befindet. Neben der Etablierung alternativer Antriebe, gesellt sich der entwicklungsintensive und demzufolge kostspielige Aufbau des autonomen Fahrens dazu. Die nur schleppend laufende Etablierung der Digitalisierung in den Unternehmen ist an dieser Stelle genauso zu nennen, wie der Bedarf einer Erschließung alternativer Vertriebskanäle.

Nun gesellt sich mit der „Corona Krise“ ein weiteres Problem dazu, mit einem bis dato noch unbekannten Ausmaß. Sie trifft die Automobilindustrie mitten ins Mark und dies zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Allein in Deutschland wurden im Vergleich zum Vorjahresmonat in Folge der Pandemie im März 2020 knapp 40 Prozent weniger Personenkraftwagen (Pkw) neu zugelassen. Nach Ende des ersten Quartals des laufenden Jahres zeigte sich insgesamt ein Rückgang der Pkw-Neuzulassungen von -20,3 Prozent (Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt). In China, der wichtigsten Absatzregion weltweit, fielen die Neuzulassungen im März 2020 um 40,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat (Quelle: PCA). Laut einer aktuellen Studie von Bain & Company brechen die weltweiten Pkw-Verkäufe 2020 aufgrund der Corona-Pandemie voraussichtlich um 29 Prozent ein.
Während sich Branchen wie die Telekommunikationsindustrie oder aber auch die elektronische Konsumgüterindustrie in den letzten Jahren rasant weiterentwickeln konnten und bereits seit Jahren die Themen Digitalisierung und E-Commerce vorantreiben, kümmerte man sich in der Automobilbranche darum, bereits bestehende Produkte zu verbessern und noch effizienter zu gestalten, anstatt nach dem neuen, großen Wurf zu suchen. Seit dem Diesel-Gate ändert sich dies allmählich, doch welchen Impact wird diese Krise auf die Branche haben?

Ein Ausblick

Allen Marktteilnehmern ist bewusst, dass sich die Autoindustrie in Zukunft neu erfinden muss. Die Fokussierung auf leistungsstarke Motoren wird abnehmen und spätestens mit der Einführung einer Geschwindigkeitsbeschränkung, wird die Motorenleistung nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Bereits heute zeigen diverse Studien, dass andere Aspekte kaufentscheidend für ein Auto sind (z.B. DAT, Automanager, Cosmos Direkt). Eine zukünftig wichtige potentielle Kundengruppe bilden die Millennials. Sie sehen das Auto nicht mehr als Statussymbol, sondern vielmehr als „Gebrauchsgegenstand“ und benötigen kein eigenes Auto und sind demnach offen für alternative Mobilitätsdienste, wie z.B. Ridesharing, Car-, Bike- und Roller-Sharing, Fahrdienstvermittler, Mobility-as-a-Service (MaaS). Für diese Generation steht neben dem ökologischen Fahren, die Digitalisierung und das autonome Fahren im Mittelpunkt. Neben allen Problemen mit der die Automobilindustrie zu kämpfen hat, bietet diese Gemengelage

Wer wird profitieren?

Für Zulieferer, die über zukunftsfähige Produkte wie z.B. Software, ADAS, Infotainment, C2C Communication verfügen und von ihrer Organisationsform her flexibel genug sind, um sich auf neue Gegebenheiten einzulassen und schnell anzupassen, wird es keine nachhaltigen und/oder gravierenden Einschnitte geben. Die großen Automobilhersteller werden sich in den kommenden Jahren neu erfinden müssen, denn es wird nicht mehr ausreichen nur noch Autos herzustellen. Ein gutes Beispiel hierfür ist VW. Nicht zuletzt nach dem Diesel-Gate versucht sich der Konzern neu zu erfinden. Herbert Diess wandte sich Anfang dieses Jahres mit einem Appell an seine Führungskräfte.
In diesem warnte er vor einem massiven Umbruch der Branche und beschrieb in seinen Ausführungen das Auto als wichtigstes Mobile Device der Zukunft. Den zukünftigen Erfolg des Konzerns mache er vor allem an der neu gegründeten IT-Sparte „Car.Software.org“ fest. Diess ebnet damit für VW den Weg vom Autohersteller zum Technologie-Konzern. Somit passt sich der größte Autobauer der Welt den Marktgegebenheiten an und setzt in Zukunft nicht mehr auf Modell- und Variantenvielfalt, sondern auf Software. Die aktuelle Situation bietet eine große Chance für Unternehmen, ihre Strategie zu schärfen (Beispiel VW) und das Produktportfolio zu modernisieren, auch oder gerade durch Unternehmenszukäufe. Auch wenn der Gesetzgeber durch einen neuen Gesetzesentwurf Firmenübernahmen aus dem Ausland erschweren möchte, wird er diese nicht ganz ausschließen können. Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) können auch Finanzinvestoren aus dem Private Equity- und Venture Capital Umfeld eine große Unterstützung sein. Viele KMUs sind aufgrund der wirtschaftlichen Situation in Schieflage geraten und verfügen über nicht genügend liquide Mittel und benötigen einen strategischen, professionellen Partner, mit dem sie ihre Zukunft gestalten. Ausschlaggebend für den Erfolg in dieser Konstellation ist der passende Managementtypus, nämlich einer der über die nötige Erfahrung im Umgang mit Finanzinvestoren verfügt. Es muss jemand sein, der sich sicher in einem finanzgetriebenen Umfeld bewegen kann und dabei die Ziele von Shareholder und Unternehmen in Einklang bringt.

Digitalisierung

Um für die Zukunft gewappnet zu sein, werden die Automobilhersteller vermehrt auf die Digitalisierung setzen müssen und das E-Commerce weiter ausbauen. Der Vertrieb wird in Zukunft vermehrt online von statten gehen, hierfür wird man umdenken müssen. Der klassische Automobilhandel wird neue Wege gehen, wenn mehr Autos online gekauft werden, brechen ihnen nicht nur diese Verkäufe weg, sondern auch das lukrative Servicegeschäft.
In den letzten Jahren konnten wir diverse Unternehmen in diesem Change Prozess begleiten, indem wir strategisch wichtige Positionen mit den passenden Managern platzierten, die den Anforderungen einer digitalisierten Welt gerecht werden. Es bedarf eines Managementtypus, der innovativ ist, remote führen kann, strategisch und analytisch stark ist und seinen Mitarbeitern den nötigen Freiraum gibt und mit gutem Beispiel vorangeht. So lässt sich die Zukunft begehen, denn der beste Weg, in die Zukunft zu gehen, ist, sie selbst zu gestalten.