Vom „HI-PO“ zum „HIPPO“

…oder die Geschichte von einst beflügelten Karrieren auf ihrem Weg zur Schwerfälligkeit


Durch eine anhaltende wirtschaftliche Rezession wird sich der Karrieretrichter für viele Führungskräfte in den kommenden Jahren verengen. Waren Karrieren für Frauen nie einfach, so wird es auch für das Karriere ge- und verwöhnte männliche Geschlecht zunehmend schwieriger, die nächsten Stufen der Karriereleiter zu erklimmen, weht doch ein nunmehr böiger Wind von „Diversity“-(An)Forderungen durch die Führungsetagen. Gesetzliche Gendervorschriften und Quotenregelungen - wie wir sie bereits durch börsennotierte Unternehmen am Beispiel adidas erfahren - werden i.V. mit freiwilligen Bestrebungen der Unternehmen für Veränderungen sorgen. Und Veränderung hat bekanntlich keine Fans. Also, wie darauf reagieren, wenn Sie sich gerade als Hi-Po, High-Potential, inmitten Ihrer Management-Laufbahn befinden und sich keine Erholungspause in Punkto Karriere gönnen möchten? Was tun, wenn das Gestern weg ist, das Heute unbekannt und das Morgen noch nicht erkennbar ist?

Um Karriere in der Zukunft zu denken, gilt es erst, einen Blick in die traditionellen Karrieremuster der Vergangenheit zu werfen.

Es war einmal ein Ingenieur, nennen wir ihn im Folgenden Gustl: Gut ausgebildet, Unternehmerisch denkend, Sicherheit bevorzugend, Titelambitioniert und Liberal im Auftreten, suchte Gustl nach Abschluss seines Studiums an einer renommierten deutschen Universität mit internationaler Strahlkraft, bevorzugt den Anschluss an die herstellende Großindustrie und wurde hier auch stets fündig. Die Anfangsjahre von Gustl liefen planmäßig. Alle wichtigen Zutaten traditionell bewährter Erfolgsrezepturen für eine stete Karriereentwicklung wurden genutzt - alle Register, wie der Einsatz von formalen und informellen Mentoren, wurden gezogen. Die ersten Einschläge, die das berufliche Fortkommen behinderten, wie beispielsweise die Finanzkrise zwischen Ende 2008 und 2009, wurden auf Grund ihres kurzfristigen Charakters als temporäre Erscheinung akzeptiert. Ausgesessen durch Urlaub und Nutzung multipler Maßnahmen wie Zusatz- und Weiterbildungsbausteine, resultierte dies nur in einem kurzen Durchschnaufen. Zu bewährt und stabil schienen die jahrzehntelang praktizierten Karrieremuster. Zu kurz war die Denkpause, zu wenig innovatives Umdenken oder gar Handeln von Nöten. Bis heute. Was wird sich ändern?

Um erfolgreich im Leben zu sein, braucht es kulturelle Reife und Bildung, nicht nur Abschlüsse!

Bereits geändert hat sich die Universitätslandschaft, denn das deutsche Diplom feiert nach der EU-weiten Umsetzung des „Bologna-Abkommens“ sein 10-jähriges „Abstinenz-Jubiläum“. Auf den Spuren von Bologna haben internationale Master-Studiengänge das Spielfeld für Talente anderer Länder erweitert und unterschiedliche Nationalitäten werden zukünftig vermehrt Schlüsselpositionen in Deutschlands Firmenzentralen besetzen. Die Attraktivität eines deutschen Ingenieurstudiums und deren spätere Durchschlagskraft im Berufsweg definiert sich zunehmend durch die emotionale Intelligenz der Studierenden und deren Umgang mit anderen Kulturen und Geschäftsmentalitäten. Waren früher Privatschulen und -universitäten ein wesentlicher Ausgangspunkt für einen vielversprechenden Berufsweg, so ist dies heute im besten Fall „nur“ noch die Eintrittskarte für einen guten Start.

Jede Veränderung - auch die in einer beruflichen Karriere - fängt bei uns selbst an.

Unser Bildungssystem wird den Anforderungen an die zukünftige Führung innovativer und entscheidungsfreudiger Unternehmen nicht mehr gerecht. Hier gedeiht nahezu all das, was man besser ausgelassen oder in den Hintergrund gestellt hätte, ist es doch eher an Systeme, Prozesse und Strukturfragen der Vergangenheit orientiert und weniger an den Herausforderungen der Zukunft wie der Digitalisierung oder Automatisierung. Metaphorisch betrachtet, sprechen wir hier von kultivierten Ausbildungsprogrammen auf monströs großen Flugzeugträgern, die unsere gewünschte Managementelite nur bedingt auf die anstehenden Herausforderungen vorbereitet. Stattdessen wäre eine Ausbildung in flinken Kampfschnellbooten nötig, da es für den nächsten wirtschaftlichen Aufschwung an Entscheidungsfreude, Zielstrebigkeit und Schnelligkeit bedarf.

Vorwärts gerichtetes Denken schlägt Lethargie!

Alle Krisen der letzten Jahrzehnte hatten eines gemeinsam: Sie lähm(t)en die Entscheidungsbereitschaft in den Führungsetagen der Unternehmen. Doch das beste Blatt im großen Spiel der Unternehmen gegeneinander haben immer noch die, die Initiative ergreifen. Dazu gehört u.a. auch einmal ein guter Bluff. Wer im Berufsleben gut bluffen kann, hat oftmals gute Karten, auch wenn er ein gar nicht so gutes Blatt hat. Beispiel: Wieviel Solidität - außer einer Vision - steckte im Gründungsjahr 2003, als man das heute prosperierende Unternehmen Tesla gründete? Oder war es nicht wichtiger, schnell zu entscheiden, um einen innovativen Weg einzuschlagen, nach vorne zu denken und auf dem weiteren Unternehmensweg zu justieren? Ob Bluff oder Vision, positives Denken ist die Erholung von Lethargie und daher ein besserer Ratgeber, als sich in ein Selbstgefühl von Gleichmütigkeit und Passivität zu schaukeln.

Der Experte ist nur ein gewöhnlicher Mann, der Ratschläge erteilt.

Doch was tun, wenn die nächsten Karrierestufen nunmehr über Jahre verbaut oder limitiert sind? Und dies intern wie extern? Zuerst: Lösen Sie sich von dem Anspruch, ein Experte zu sein. Das deutsche Ingenieurs- und Expertentum hat als sicherer Karriere-Türöffner ausgedient. „Experten sind Spezialisten, die mikroskopisch agieren und auf speziellen Gebieten brillieren, doch gleichwohl durch Scheuklappen den Blick auf das große Ganze verlieren“. Seien Sie bitte mehr als das. Es geht nicht nur um Wissen, sondern auch um das Können und das Wollen. Verbreiten Sie zudem stetig Ihre Wissensbasis auch auf andere funktionale Felder, d.h. angrenzende Funktionsbereiche. Verlassen Sie Ihre Komfortzone und stellen Sie sich neuen intellektuellen Herausforderungen und dies insbesondere auf kultureller und emotionaler Ebene.

Auch Umwege erweitern unseren Horizont!

Orientieren Sie sich nicht nur an den Herausforderungen in den Marktsegmenten, in denen Sie bisher tätig waren, sondern schauen Sie, ob Sie mit Ihren Kenntnissen Wissen und Mehrwert in andere Industrien transferieren können. Ihr persönliches Wachstum und Ihre weitere Karriere liegt nicht mehr nur in der Disziplinierung des eigenen Ichs, der Inbesitznahme der eigenen Persönlichkeit und der Erlangung eines höheren Bewusstseins, sondern auch darin, die eigenen Werte in Einklang mit denen anderer Kulturkreise zu bringen. Denn es gilt: Berufliche Karrieren werden sich nun nicht mehr ausschließlich in den von Ihnen gewohnten Kulturkreisen abspielen.
Die Führungskraft von morgen bahnt sich ihren Weg und so besteht der Sinn von Bildung sinnbildlich darin „Spiegel in Fenster zu wandeln“, das „Ich“-Gefühl zum „Wir“-Gedanken zu formen und ausgelatschte Pfade zu verlassen.
Das Konkurrenzverhalten von heute erinnert noch an ein Wettrennen trojanischer Pferde, während das Morgen einen Straßenverkehr widerspiegelt, in der das Auto schneller fahren muss als der Fahrer denken kann.
Das traditionell „auf Hardware“ ausgerichtete Ingenieurwesen - speziell in der deutschen Maschinenbau- und Automobilindustrie - ist eine Reflektion aus der Zeit des 20. Jahrhunderts, in der es entstand und bis heute ihren Karriere-Mehrwert generierte. „Hardware drove Innovation“ war das Karrieremotto, das für viele Jahre unsere Managementstrukturen prägte und als Wegweiser für Karrieren diente. Seit Jahren sprechen wir aber über Automatisierung, Robotik und die unabdingbare Digitalisierung von Geschäftsprozessen, die alle in ihrem Kern Softwarethemen sind und unsere berufliche Zukunft bestimmen. In der Folge wird dies in einer höheren Schnelligkeit resultieren, sei es bei Unternehmensentscheidungen zur Markteinführung neuer Innovationen bis hin zur Wahl des nächsten Karriereschrittes. Waren in einer konservativ geprägten Industrielandschaft Unternehmenszugehörigkeiten und/oder Positionswechsel in 5-Jahresrhythmen das Richtmaß aller Dinge, werden sich diese Zeitintervalle deutlich verringern. Dies wiederum wird die Erwartungshaltung des Einzelnen an das Unternehmen und umgekehrt verändern. Ein charakteristisches Merkmal für berufliche Karrieren in der Zukunft wird auch in einer erhöhten Risikobereitschaft des Einzelnen liegen, da vakante Managementpositionen im großen Umfang in kleinen und mittelständischen Firmenstrukturen zu besetzen sind, welche nicht den bislang gewohnten und verbreiteten Automatismus von Jobsicherheit und in den meisten Fällen keine langjährige Verweildauer haben werden.


Ausblick: Vom Gustl zum Fred.
Die Manager der alten Zeit werden auf Sicht wohl auch primär die der neuen sein - wenn sie über die emotionale Intelligenz, Flexibilität und Entscheidungsfreude verfügen die jetzt gefragt ist. Doch auch sie werden heute nicht mehr die Menschen sein können, die sie gestern noch waren. Zu groß und umfangreich sind die Veränderungen. Für den Managementnachwuchs bleibt wohl erst einmal nur ein Platz auf der Ersatzbank. Gleichwohl gehört auch die Pause zur Karriere, die man sinnvoll nutzen kann, um sich beispielsweise lateral oder emotional intelligent bzw. multikulturell weiter zu entwickeln. Ihre Karriere muss jetzt nicht in Trägheit und Schwerfälligkeit erstarren. Wer jetzt nicht die Zeit nutzt, etwas zu ändern, wird selbst das verlieren, was es zu bewahren gilt, den Status Quo der Karriere. Vergessen Sie den Gustl und werden zum Fred: Flexibel und flink im Kopf, Risikofreudig, Emotional intelligent und an Diversen Industriefeldern interessiert. Unerfüllte Karrieren sind wie Kellerkinder, sie leben gefangen im Dunkeln, doch ihr legitimer Anspruch ist es, befreit zu werden, sozusagen ans Tageslicht zu kommen. Wenn dies bei Ihnen nicht in Sicht ist und Sie diesbezüglich Rede- und Handlungsbedarf verspüren, helfen wir Ihnen, dass sich Ihre Karriere prosperierend und agil weiterentwickelt und nicht im schwerfälligen Hippo-Modus feststeckt.